Datum | 2008 / 2012 |
Land | Deutschland |
Das deutsche Pendant zur amerikanischen Biz-Markie-Entscheidung markiert das Metall-auf-Metall-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2008. Erstmals hatte das oberste deutsche Zivilgericht über die Zulässigkeit des Samplings nach deutschem Urheberrecht zu entscheiden.
In dem Song „Nur Mir“ von Sabrina Setlur hatte Hip-Hop-Produzent Moses Pelham (Moses P.) eine ca. 2-sekündige Rhythmussequenz aus dem Kraftwerk-Klassiker „Metall auf Metall“ gesampelt. Diese läuft in einem Loop im Hintergrund des gesamten Titels. Hiergegen klagten die Pioniere elektronischer Musik vor den Hamburger Gerichten. Der Bundesgerichtshof gab ihnen in letzter Instanz Recht. Im Jahr 2012 entschied der BGH erneut über den Fall (Metall auf Metall II).
Sabrina Setlur
Foto: Manecchino (CC-BY-SA 3.0)
Der BGH verurteilte die Beklagten wegen Verstoßes gegen das Tonträgerherstellerrecht aus Paragraf 85 UrhG. Anders als in den USA handelt es sich bei den Rechten von Musik- oder Filmproduzenten und anderen Verwertern nicht um Copyrights oder Urheber-, sondern um so genannte Leistungsschutzrechte (auch verwandte Schutzrechte genannt). Sie unterscheiden sich vom Urheberrecht dadurch, dass sie nicht eine kreative Leistung, sondern in der Regel Investitionen schützen. Entsprechend kommt es hierbei nicht darauf an, ob – wie beim Urheberrecht – kopierte Teile einer Produktion bereits eine ausreichend individuelle geistige Schöpfung darstellen, deren Verwendung lizenzpflichtig ist. Voraussetzung für eine Rechtsverletzung ist vielmehr lediglich, ob die Übernahme in die geschützte Investitionsleistung eingreift.
Dies sah der BGH bei der Übernahme des 2-sekündigen Samples als gegeben an. „Ein Eingriff in das durch § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG geschützte ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers ist bereits dann gegeben, wenn einem Tonträger kleinste Tonfetzen entnommen werden.“ meinen die Richter. Geschützt sei nicht der Tonträger selbst oder die hierauf festgehaltenen Töne, sondern die vom Tonträgerhersteller erbrachten wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Leistungen. Diese seien in jedem noch so kleinen Teil der Aufnahme enthalten, so dass die Länge der Übernahme oder die Qualität der übernommenen Sequenzen keine Rolle spielten. Auch darauf, ob sich das Sampling negativ auf den Absatz der Original-Aufnahme auswirke, komme es nicht an. Dass das Tonträgerhersteller bei einer solchen Haltung weiter geht, als das Urheberrecht – hiernach wären kleinste Tonfetzen mangels Schöpfungshöhe im Zweifel nicht geschützt und könnten daher frei verwendet werden – sei unerheblich.
Interessant an der Entscheidung, dass auf die Frage, ob es sich bei der Übernahme um ein Musikzitat gemäß Paragraf 51 Nr. 3 UrhG handelt, gar nicht eingegangen wurde. Immerhin ist Zitatrecht generell auch für Tonträgerherstellerrechte anwendbar.
Statt auf das Musikzitat einzugehen, beschäftigt sich der BGH mit dem deutschen Rechtsinstitut der „Freien Benutzung“ (Paragraf 24 UrhG). Im Prinzip sei es denkbar, dass Sampling als freie Benutzung gewertet werde und damit ohne Lizenz möglich sei. Dies sei jedoch ausgeschlossen, wenn das Sample die Melodie oder einen Teil derselben enthalte und, vor allem, auch dann nicht, „wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen.“ Soweit es einem „durchschnittlich ausgestatteten und befähigten Musikproduzenten“ möglich sei, „eine eigene Tonaufnahme herzustellen, die dem Original bei einer Verwendung im selben musikalischen Zusammenhang aus Sicht des angesprochenen Verkehrs gleichwertig ist“ komme eine freie Benutzung nicht in Betracht. In der Metall auf Metall II-Entscheidung erklärte der BGH, dass dies hier möglich gewesen sei. Entsprechend wurden die Beklagten verurteilt, den Titel „Nur mir“ nicht weiter zu vertreiben sowie Schadensersatz zu leisten.
Dass die Rechtslage in Bezug auf Sampling in Deutschland erst im Jahr 2008 geklärt wurde, hat natürlich einen Grund: Bislang wurden offenbar keine Prozesse geführt. In den wahrscheinlich meisten Fällen wurden die Rechte an Samples auf vorher schon geklärt. Sollte es zu Auseinandersetzungen wegen ungeklärter Rechte gekommen sein, landeten sie zumindest nicht vor Gericht. Man könnte also sagen, dass die Grundsatzentscheidung des BGH keine Auswirkungen auf die Praxis hatte.
Aus kultureller Sicht ist die Entscheidung dennoch äußerst bedenklich. Ohne dies ausdrücklich zu sagen, transportiert das Urteil die Botschaft, dass Sampling nichts weiter ist, als fremde Leistungen zu schmarotzen (wie es ein bekannter deutscher Urheberrechtler in einem juristischen Standardwerk ausdrückt). Bemerkenswert ist zudem, dass die Ausgleichsmechanismen des Urheberrechts, wie die Schöpfungshöhe oder das Zitatrecht, offenbar belanglos sind, wenn es um die wirtschaftlichen Interessen der Musikindustrie geht.
Titelbild: Andriy V. Makukha – KRAFTWERK im Kiew 01 (CC-BY-SA 3.0)
Dr. Till Kreutzer (geb. 1971) ist Rechtsanwalt, Publizist und Rechtswissenschaftler. Er ist Gründungsmitglied und Redaktionsleiter von iRights.info.