Crossover

Präambel von Katharina Meyer

Katharina Meyer ist bevorzugt Technik- und Kulturhistorikerin, subtil Kultur- und Medienmanagerin, laufend Kuratorin (z.B. bei der re:publica) und in Teilzeit Research Associate am Hybrid Publishing Lab (Leuphana Lüneburg) sowie Projektleiterin für Digital Humanities bei der OKFN. Sie mäandert an den Schnittstellen von Schönen Künsten und Technik und publiziert zu Netz- und Medienkunst sowie Digitaler Kultur.


@KthrnMeyer

Im Bereich Crossover soll eine Reihe exemplarischer, jedoch nicht linear historisch oder gar teleologisch geordneter Ausstellungsstücke aus den Gattungen Malerei,Grafik,Fotografie, Skulptur, Medien- und Videokunst aber auch Literatur und performative Künste versammelt werden.

Quer durch alle Gattungen lässt sich das gleiche Phänomen beobachten, wenn man sich in die Tiefen der Archive begibt und einen beliebigen Grabungschatz vor sich ausbreitet: Es ist die beständige Erneuerung der Kunst aus sich selbst.

Wie frisches Grün aus altem Kern sprießt Darstellung aus Darstellung: Die DNA bleibt ähnlich, dennoch kann sich der Abkomme im Phänotyp ganz beträchtlich von seinen Ahnen unterscheiden.

Aby Warburgs großes Projekt, der Bilderatlas „Mnemosyne“, hat als erstes (leider nur noch in Re-Produktionen überliefert und niemals vollendet) die Wahlverwandtschaften offengelegt, die künstlerischem Schaffen seit jeher inhärent sind.

Warburgs Atlas ist ein grundlegender Versuch, philosophische und bildgeschichtliche Betrachtungsweise miteinander zu verbinden. Auf Holztafeln heftete er Fotografien nach Bildern, Reproduktionsfotos aus Büchern oder Bildmaterialien aus Zeitungen so, dass sie einen oder mehrere thematische Bereiche veranschaulichten. Warburgs Arbeitsweise würde man heute mit der Recherche nach ›visuellen Clustern‹ bezeichnen.

Indem er wiederkehrende Motive von der Antike bis in die Neuzeit aufspürte und collagierte, schien es auf den Fotografien beinah, Denkerhand an Denkerstirn neben Denkerhand an Denkerstirn, als würde sich die Menschheit und ganz besonders ihre kreative Klasse sich seit Jahrhunderten an den selben Urfragen abarbeiten: Woher komme ich und wohin gehe ich?

Betrachtet man die Kunst in ihrer sozialen Funktion als rückwärtsgewandte Selbstversicherung und Abgrenzung zu Gewesenem in Kontrast zu ihrem utopischen Potenzial eines Aushandelns von künftigen Möglichkeiten, wird klar ersichtlich, weshalb trotz aller ästhetischen Umbrüche und Revolutionen so viele „Altlasten“ freigelegt werden können, macht man sich an die Dekonstruktion eines Kunstwerkes.

Das Kondensat des ästhetischen Reichtums von Wiederholung, Imitation, Collage, Adaption, Verfremdung, Replikation, Ready-made, Objects trouvés, Re-Präsentation, Reprise, Remix, Sampling, Recycling, Bearbeitung, Cover-Version, Cut-Up, Bootleg, Transformation, Permutation, Bastardisation und Interpretation bildet ein Kunstwerk dritter Ordnung. Sucht man nach Analogien, belegt eine Bestandaufnahme eindrucksvoll, um wie viele Hervorbringungen die Welt ärmer würde, wenn aus falsch interpretiertem Urheberschutz hin zu einem Schutz der Verwerter eine der ältesten Kulturtechniken, nämlich die der Referenz, weiter erschwert würde.

Volle Archive, stete Verfügbarkeit von Informationen und Materialien sowie die ephemere Struktur eines Drag and Drop haben ein System der zyklischen Wiederverwertung geschaffen, das auf ständiger Wiederholung und Neuschöpfung des Alten basiert. Das „Überleben“ von in neuen Werken muss freigelegt werden, will man im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks nicht die Verbindung zu seinen Ursprüngen verlieren. Oft bleiben Referenzen auf den ersten Blick verborgen, erschließen sich aber gerade in der Kontextualisierung aus visuellen Materialien mit gleichen Sujets.

Eingriffs- und Sezierungsmöglichkeiten finden auf vielen Ebenen, von der Oberfläche bis in die Symbolik statt und bergen diverse Narrative,

Kulturpolitische Kampfbegriffe wie das „Originalgenie“ müssen neu verhandelt werden, sobald deutlich wird, dass das „Original“ nicht an Aura oder Wert einbüßt, wenn Derivate ermöglicht werden. „Remix“-Geschichte ist Kultur- und Ideengeschichte und zeigt (auch), welche gesellschaftliche Stellung der Autor von Kunstwerken in seiner Zeit einnimmt. Zugleich illustriert die Dekonstruktion die Bedeutung des Archivs als Speicher der Kreativität.

Durch die Bandbreite der Trägermaterialien und Ansätze lässt sich kein allgemeingültiger Remix-Begriff bestimmen, ob in Material, Textur oder Blickregime, die Eingriffs- und Sezierungsmöglichkeiten finden auf vielen Ebenen statt und bergen jeweils eine eigene Geschichte und Stoßrichtung, die bestmöglich anhand der Erläuterung zu den Einzelexponaten freigelegt werden sollen.

In ihrer Gesamtheit wendet sich die Sektion gegen von ökonomischen Verlustängsten getragenen Kampfbegriffe wie „Originalgenie“ , indem sie deutlich macht, dass das „Original“ nicht an Aura oder Wert einbüsst, wenn Derivate ermöglicht werden. „Remix-“Geschichte ist Kultur- und Ideengeschichte und zeigt (auch), welche gesellschaftliche Stellung der Autor von Kunstwerken in seiner Zeit einnimmt.

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