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Danger Mouse – The Grey Album

 

Titel The Grey Album
Autorschaft

DJ Danger Mouse

Datum 2004
Land USA
Technische Daten

MP3-Album

Mediales Genre Mashup-Album
Ausgangsmaterial

The Beatles – White Album / Jay-Z – Black Album

2004 tauchte im Internet und einigen Musikläden ein musikalisches Mashup auf Albumlänge auf, das in der digitalen Szene, in den Feuilletons der Presse und auch in den Chefetagen der großen Musikkonzerne einigen Staub aufwirbeln sollte. Dabei begann alles eigentlich als Experiment, als witzig gemeinter Versuch, als “bedroom production”.



Das “Grey Album” besteht nämlich aus der Vermischung der Stücke, die auf dem 1968er “White Album” der altehrwürdigen Beatles und auf dem “Black Album” des Rappers Jay-Z von 2003 zu finden sind. Genauer gesagt – und das ist auch der Clou der ganzen Sache – legte DJ Danger Mouse alias Brian Joseph Burton die Acapellaspuren von Jay-Z auf gesampelte und rearrangierte Ausschnitte aus den Stücken der Beatles. Der daraus entstehende Effekt ist so einfach wie originell: Jay-Z rappt auf, über, mit den Beatles. An manchen Stellen passt es sogar so gut zusammen, dass man denken könnte, es handelte sich um einen offiziell in Auftrag gegebenen Remix:

Burton hatte das “Grey Album” innerhalb weniger Wochen zu Hause in seiner Wohnung zusammengebastelt, ohne sich über den Impact seines Werkes wirklich Gedanken zu machen. Doch als das Mashup-Album begann, im Internet zu zirkulieren, von begeisterten Fans in den Tauschbörsen tausendfach herumgereicht zu werden und sich auch die CD zu einem heimlichen Bestseller unter der Ladentheke entwickelt hatte, schien das “Grey Album” plötzlich durch die Decke zu gehen. Obwohl es nicht als offizielle Veröffentlichung geplant und mit einer Erstauflage von gerade mal 3.000 CDs erschienen war, schaffte es das “Grey Album” sogar in die Feuilletons großer amerikanischer Zeitungen und erhielt dort teilweise begeisterte Rezensionen. Auch in der New York Times war man sehr angetan von dem ominösen grauen Album und lobte es als musikalische Innovation, die einen “Massenuntergrund” an Hörern, über Länder- und Genregrenzen hinweg, geschaffen zu haben schien.

Das “Grey Album” wurde nicht nur berühmt durch das Internet, ohne die Tauschbörsen wäre es vermutlich auch nicht entstanden: Weil es von Jay-Z’s “Black Album” keine offizielle Acapella-Version zu kaufen gab, sondern nur ein ominöses, vermutlich geleaktes “Construction Kit” auf Filesharing-Plattformen angeboten wurde, ist davon auszugehen, dass Danger Mouse auf diesem Weg an die Acapella-Versionen gelangte und dann einsetzte.

Die Beatles-Loops sampelte Danger Mouse. Sie sind nicht durchweg instrumental, sondern können auch kurze “Gesangsfetzen” enthalten (beispielsweise bei “Encore”). Teilweise wurden die Ausschnitte aus den Beatles-Songs stark bearbeitet und manchmal zweckentfremdet, wenn sie in ihrer ursprünglichen Funktion “überschrieben” wurden: Bei “Encore” ist der Beatles-Loop eine Passage aus der Bridge des Beatles-Songs. Bei Danger Mouse wurde er hingegen zu einem durchgängigen Basisloop umfunktioniert:

Auf Druck der Plattenfirma der Beatles EMI, der das “Grey Album” überhaupt nicht gefiel, zog DJ Danger Mouse die Veröffentlichung zuerst zurück, woraufhin sich im Internet starker Protest formierte: Am 24.2.2005, dem “Grey Tuesday”, boten mehr als 150 Internetseiten das Album zum Download an, das alleine an diesem Tag mehr als 100.000 mal heruntergeladen wurde. Anfang 2013 wurde das „Gey Album“ sogar komplett neu gemastered. Heute gilt es, das lässt sich durchaus so festhalten, als Klassiker und Meilenstein der Sampling- und Remixgeschichte. Auch und gerade aufgrund der rechtlichen Implikationen, die entstanden sind: Für das Internet spielen Ländergrenzen und Nationalitäten kaum eine Rolle. Aber wenn sich Nutzer aus verschiedenen Staaten der Welt ein Album eines amerikanischen DJs, der die Stücke britischen Künstlern sampelt, von Servern, die möglicherweise auf der ganzen Welt verteilt stehen, herunterladen, führt das zu juristischen Problemen, die im Zusammenhang mit national geprägeten Rechtssystemen stehen.

Das, was Danger Mouse tut, fällt eigentlich unter die vom US-amerikanischen Copyright regulierten Nutzungsarten. Die Rechteinhaber haben nicht zugestimmt. Damit ist die Verbreitung zunächst nicht zulässig. Jonathan Zittrain, Professor für Internetrecht in Harvard, bringt es auf den Punkt: “As a matter of pure legal doctrine, the Grey Tuesday protest is breaking the law, end of story.” In einem zweiten Schritt kann man sich aber fragen, ob die Benutzung nicht ausnahmsweise aufgrund der tatsächlichen Umstände zulässig ist. Solche Ausnahmeregelung kennt das Copyright. Für das „Grey Album“ könnte die “fair use”-Klausel eine Rolle spielen. Hierbei wird eine regulierte Nutzung erlaubt, wenn dies unter angemessenen Bedingungen geschieht. Ob dies der Fall ist, entscheidet sich anhand verschiedener Kriterien. Die Streitigkeiten wurden nicht vor Gericht ausgetragen. Da es sich um einen neuartigen Fall handelt, und die rechtliche Beurteilung einen gewissen Spielraum gewährt, kann der tatsächliche Ausgang nicht mit hundertprozentiger Sicherheit vorhergesagt werden. Gute Gründe sprechen jedoch dafür, dass der Download des „Grey Albums“ erlaubt gewesen wäre. Die Proteste im Rahmen des „Grey Tuesday“ verfolgten keine kommerziellen Zwecke. Und das „Grey Album“ ersetzt auch nicht den Kauf einer Beatles-Platte. Im Gegenteil: das „Grey Album“ macht die alten Songs der Band aus Liverpool zu etwas ganz Neuen, nämlich zu einem HipHop-Beat.

Wenn man dann das Album und dessen Verbreitung noch als Kommentar auf das Copyright und Kreativität verstehen möchte, dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass das „Grey Album“ vor Gericht nicht beanstandet werden kann.

Text von Michael Servatius und Georg Fischer

Referenzen

Titelbild: Marcelo Teson – Danger Mouse (CC-BY-NC 2.0)

Döhl, Frédéric (2014): Remaster, Remix, Remake the Beatles. Zur Relevanz der Differenz zwischen Eigen und Fremd in ästhetischen Urteilen über referenzielle Musik, in: ders./Renate Wöhrer (Hg.): Zitieren, Appropriieren, Samplen. Referenzielle Verfahren in den Gegenwartskünsten, Bielefeld: Transcript, S. 201-231.

McLeod, Kembrew / DiCola, Peter (2011): Creative License. The Law and Culture of Digital Sampling, Durham/London: Duke University Press.

Rimmer, Matthew (2005): The Grey Album: Copyright Law and Digital Sampling, in: Media International Australia Incorporating Culture and Policy, No. 114, pp. 40-53, February 2005.

Zum Autor:
Georg Fischer

Georg Fischer hat in Berlin Soziologie studiert und seine Diplomarbeit zum Thema "Kreativität und Innovation des Samplings" verfasst. Derzeit bearbeitet er seine Dissertation zum Thema "Urheberrecht und Kreativität in der Musikproduktion".

jaegerundsampler.wordpress.com
@jaeger_sampler



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